Beiträge von Ronco im Thema „Ist der Musik geschmack angeboren?“

    Hier ein kurzer aktueller Artikel auf Spiegel Online dazu.


    Zitat am Ende:
    Viele Forscher gehen bislang davon aus, dass die ästhetische Reaktion auf Gleichklänge biologisch bedingt und quasi weltweit angeboren ist. Musik-Ethnologen und Komponisten hingegen nehmen zumeist an, dass Gleichklang (Konsonanz) ein Produkt westlicher Musikkultur ist.

    Oops, vielleicht bin ich einfach in die falsche Richtung abgedriftet.
    Meine persönliche Musikrichtung ist dreierlei: Blues, Folk und Klassik.
    Mein Gitarrenspiel habe ich mit Blues und Folk begonnen und ich kann mich in diese Stücke am intensivsten einfühlen.
    Das Stück aber, dass mich in jeder Stimmung wieder beruhig und ausrichtet ist das Air von Bach.
    Egal wie scheiße es mir geht, diese Melodie bringt alle meine Schwingungen wieder in Einklang.

    Als Informatiker sehe ich die Genetik recht simpel. Die Gene sind die Algorithmen, die das Funktionieren des Lebens im Prinzip beschreiben. Dafür spricht, dass der genetische Code bei allen Lebenwesen zu großen Teilen übereinstimmt. Wie eine Wunde zu schließen ist, und wie der Saustoffaustausch in der Lunge funktioniert ist als Bestandteil des Lebens überall gleich.
    Überwiegend in der Epigentik wird die individuelle Konfiguration gespeichert. Während die Programmlogik sich nur sehr selten ändert unterliegt das Setup sehr vielen Umwelteinflüssen und kann vergleichsweise oft und schnell geändert werden. Interessanterweise geben wir bei der Zeugung nicht nur das Grundgerüst des Lebens, sondern auch die persönlichen Einstellungen weiter.


    Eine ganz andere Frage ist, wie wir Informationen - das gelesene Buch, die geliebte Melodie, den sinnlichen Geruch - abspeichern. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Daten so abgelegt werden, dass sie über den Zeugungsprozess an die Nachkommen weitergeben. Das würde eher dafür sprechen, dass der Musikgeschmack - die Eingangsfrage - eben doch hauptsächlich oder ausschließlich kulturell vererbt/erlernt wird.


    Teile der tonalen Informationsverarbeitung können hingegen schon in die Gene gespeichert werden. Die Reaktion auf bestimmte Geräusche, die Todesgefahr bedeuten, sind wohl von Grund auf bei allen Menschen vorhanden. Die Einteilung in friedliche und bedrohliche Geräusche und Melodien sind mit Sicherheit oder besser großer Wahrscheinlichkeit genetisch verankert. Bestimmte Musikrichtungen können auf diese Grundmuster aufbauen und so die Stimmung beim Hören beeinflussen. Ob ich es aber eher mag, wenn der Körper beim Musikhören adrenalingeflutet wird - wer weiß was dabei alles ein Rolle spielt.


    Sind auf jeden Fall sehr sehr spannende Fragen.

    Genetisch festgelgt ist erstmal sehr wenig. Mittlerweile wissen wir, dass der aktive Part der Gene, der ca. 10% des Genoms ausmacht, nicht alles ist. Lange wurden die restlichen 90% als evolutionärer Abfall ohne Funktion betrachtet. In Wahrheit enthält er die gesamte Konfiguration der Gene, welches Gen aktiv und welches halb- oder inaktiv ist - die sogenannte Epigenetik. Diese Schalter werden durch die Umwelt beeinflusst und können in kurzen Momenten umgeschaltet werden. Die "Schalterstellung" wird aber auch vererbt. So läuft das selbe genetische Programm bei dem einen Bruder, kann aber bei seinem Zwilling abgeschaltet sein. So können Zwillinge, die bis zum 30 Lebensjahr ununterscheidbar waren, sich plötzlich in andere Richtungen entwickeln. Der eine bleibt schlank, während der andere kräftig zulegt und das, obwohl sich beide weiterhin gleich ernähren und bewegen.
    Ob jetzt der Musikgeschmack den selben Mechanismen unterliegt, d.h. was mir gefällt legt epigenetische Schlater um, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Das zu untersuchen wäre aber mit Sicherheit eine Dissertation wert.

    Ich denke schon, dass Harmonien universell sind. Musik berüht uns in unseren Gefühlen und ist tief im Stammhirn verankert.
    So wie die Gesichtszüge unsere Stimmung überall auf der Welt nahezu identisch auf Enttäuschung, Freude, Angst, dem Geschmack von Saurem oder Bitterem reagieren, so gibt es so etwas wie ein universelles Verständnis von beruhigender, aggressiver, trauriger, fröhlicher oder euphorisierender Musik.
    Wozu aber unser persönlicher Geschmack tendiert hat m.E. sehr viel mit den Emotionen zu tun, die wir beim erstmaligem Hören eines Stücks empfunden haben. War das Gefühl angenehm so bleibt auch diese Art von Musik auf Ewig mit dieser angenehmen Stimmung verknüpft.
    Musik und Gerüche werden m.E. direkt im Hippocampus verarbeitet nach lange bevor unser bewustes Ich die Information darin verarbeitet.
    So basiert der Musikgeschmack wohl auf beiden Mechanismen, der Genetik, die die Verknüpfung von der Töne, Rhythmen und Harmonien mit den Emotionen ermöglicht und den sozialen Einflüssen dessen, was wir von klein auf mitbekommen und den Zufälligkeiten, die eine positive Situation mit der Musik, die in dem Moment gehört wird, zusammenbringen.


    Gero

    Hi Ratz,


    ich denke, mein Geschmack wurde in der Zeit zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr geprägt und zwar im wesentlichen durch das, was mir damals vorgespielt wurde, beispielsweise durch meinen Bruder. So bin ich immer noch ein Fan von Slade, die meine erste Gruppe in Erinnerung blieb. Auch der Rock und Blues sind mir von der Zeit geblieben. Im Laufe der Zeit ist zwar einiges dazugekommen, wenn ich nachts in Youtube versinke, dann aber in der Regel in den alten Schinken, die mich emotional anders berühren.
    Hardrock empfand ich allerdings von Anfang an als zu unharmonisch. Nur einige wenigs Stücke dringen da in mein emotionales Zentrum vor. Allerdings kann man sich auch an andere Musikrichtungen einhören, sich daran gewöhnen und dann als schön empfinden.
    Einzig deutsche Schlager und Volksmusik machen mich aggressiv. Da kann und will ich mich nie dran gewöhnen.


    Ciao
    Gero